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ETHIK ERKLÄRT TEIL 1
WISSENSWERTES Sieh dir die Abbildung rechts an. Was siehst du? Schwarz-weiße Streifen, die verzerrt und schief übereinanderliegen? Nun, dies zumindest gaukelt dein Gehirn dir vor. In Wahrheit liegen die Streifen nämlich parallel zueinander. Ganz egal, ob diese optische Täuschung schon kanntest oder noch nicht, sie stellt uns vor eine existenzielle Frage: Wenn unser Gehirn uns so täuschen kann, was ist dann noch wahr?
Mit der Frage nach der absoluten Wahrheit haben sich Philosophen schon vor zweieinhalbtausend Jahren beschäftigt und nach dem besten Weg zur Erkenntnis gesucht. Mit der Zeit haben sich vier größere Theorien etabliert, welche ich im Folgenden näher beleuchten will: der Idealismus, der Empirismus, der Rationalismus und der Kritizismus. Zunächst gilt es jedoch zu klären, was Wahrheit überhaupt ist.
Grundlagen und Wahrheitsbegriff
Was ist Wahrheit? Eine Antwort auf die Frage bieten drei Theorien:
- Konsenstheorie (lat. „consensus“ = Übereinstimmung): Von Wahrheit kann man sprechen, wenn Menschen sich in einer Sache einig sind, Konsens besteht oder eine Behauptung sich mit verwandten Behauptungen verträgt. (Problem: Das macht die Aussage noch nicht wahr.)
- Korrespondenztheorie (lat. „correspondere“ = entsprechen): Von Wahrheit kann man sprechen, wenn eine Aussage oder ein Gedanke mit einer Tatsache in der Welt übereinstimmen. (Problem: Diese Tatsachen sind stark von den Umständen oder dem Wissensstand abhängig.)
- Redundanztheorie (lat. „redundare“ = überlaufen): Von „Wahr(heit)“ zu sprechen, ist meist entbehrlich, weil ja mitgesagt wird, dass eine Aussage wahr ist. Trotzdem können die Begriffe „wahr“ und „Wahrheit“ sinnvoll gebraucht werden.
Weiterhin wird zwischen subjektiver und objektiver Wahrheit unterschieden.
- Subjektive Wahrheit ist die Wahrheit für ein Einzelindividuum. Sie ist abhängig von dessen Alter, Erfahrungen und Sinneswahrnehmungen – unterscheidet sich also von Mensch zu Mensch. Subjektive Wahrheit wird oftmals auch als relative Wahrheit bezeichnet.
- Objektive Wahrheit wird von einer Menschengruppe (etwa Wissenschaftler) oder der Menschheit als allgemeingültig anerkannt. Oft nennt man sie auch absolute (allumfassende) Wahrheit; dies ist jedoch problematisch, da der Mensch niemals allwissend sein kann, also die absolute Wahrheit erreichen kann. Das Schaubild erklärt dieses Problem näher.
Um zur Wahrheit (zur Erkenntnis) zu kommen, brauchen wir verschiedene Quellen der Erkenntnis:
- Die Sinne nehmen Eindrücke der Welt wahr (sehen, hören, tasten …) und sind zentraler Bestandteil unseres Erfahrungswissens.
- Unter Einbildungskraft versteht man die Tätigkeit, sich an Sinneswahrnehmungen und ihre Kombinationen zu erinnern und sie mit früheren Wahrnehmungen zu kombinieren.
- Mit dem Verstand vergleicht und analysiert man. Man kombiniert Begriffe und Urteile und kommt zu einem Schluss.
Idealismus (Platon)
Platon (ein antiker griechischer Philosoph) entwickelte die Zwei-Welten-Theorie. Dabei unterschied er zwischen der Ideenwelt und der Sinnenwelt:
- Als grundlegende Wirklichkeit sah er die Ideenwelt. Sie sei dem Geist zugänglich und nur durch den Verstand erkennbar. Hier würden die Ur- und Musterbilder liegen, welche zusammen die absolute (objektive) Wahrheit bilden.
- Die Abbilder der Ideen finde man in der Sinnenwelt, dem Reich der Gegenstände und Lebewesen. Die Welt könne man nur subjektiv wahrnehmbar, sie enthalte also die relative Wahrheit.
Das ganze, absolute Wissen ist laut Platon in der Ideenwelt. Ein Teil der sog. Weltseele schlüpft bei der Geburt in den Menschen (auch als méthexis = Teilhabe beschrieben), welcher dieses Wissen aber wieder vergisst. Der Weg der Erkenntnis ist somit die Wiedererinnerung an die angeborenen Ideen, auch Anamnese genannt. Dabei muss jeder dieses Wissen für sich selbst finden, andere können den Menschen nur auf den „rechten Weg“ der Erinnerung bringen (Hebammenkunst = Mä(i)eutik).
Beispiel: Wir nehmen den Gegenstand „Baum“ in unserer Sinnenwelt wahr und erinnern uns an die vor unserer Geburt geschaute Idee des „Baums“ aus der Ideenwelt. Die Erkenntnis, was ein Baum ist, ist also eine Art Wiedererkennen.
Platon unterschied vier Stufen der Erkenntnis: Vermutung (1) und Glaube (2) in der Sinnenwelt sowie Nachdenken (3) und Einsicht (4, welche nur von den wenigsten und niemals absolut erreicht wird) im Verstand. Den Weg hat er bildlich in drei Gleichnissen dargestellt: im Liniengleichnis, Sonnengleichnis und Höhlengleichnis. Auf Letzteres werde ich jetzt genauer eingehen:
Stufe 1: Tief unten in einer Höhle sind Menschen Zeit ihres Lebens gefesselt. Sie können nur geradeaus an eine Wand blicken, an der sie Schatten vorbeiziehen sehen. Da sie nichts Anderes kennen, halten sie diese Schatten für wirklich und die Geräusche, die sie hören, für deren Stimmen. Sie sehen nicht, dass hoch über ihnen ein Feuer brennt, dass die Schatten in Wirklichkeit von Gegenständen kommen, die hinter einer großen Mauer von Menschen vorbeigetragen werden und dass die Geräusche von den Stimmen dieser Menschen kommen.
Stufe 2: Wird ein Mensch befreit und gezwungen, die Mauer hinter ihm emporzuklettern, wird er zunächst geblendet vom Feuer nicht erkennen können, wie die Höhle wirklich beschaffen ist. Er ist verwirrt und hält die realen Gegenstände für weniger wirklich als die Schatten, die er sein Leben lang kannte. Mit der Zeit gewöhnt er sich an das Licht und erkennt die Gegenstände als wahr an. Doch er fühlt sich sichtlich unwohl.
Stufen 3 und 4: Man muss ihn also zwingen, weiter aufzusteigen und die Höhle zu verlassen. Wieder ist er von der Helligkeit geblendet. Er erkennt bald Flüsse, Berge und Pflanzen. Und er erkennt die Sonne als Lichtquelle und dass das Spiegelbild des Baumes nur ein Abbild, nicht die Realität ist. Kehrt er nun zurück in die Höhle, um seine Mitmenschen zu befreien, werden sie ihn auslachen, das Gewohnte der Erkenntnis vorziehen und ihn möglicherweise töten.
Was will uns das Höhlengleichnis sagen? Den Schritt aus der Sinnenwelt (der Höhle) in die Ideenwelt (außerhalb der Höhle) zu machen, ist hart und nur die wenigsten werden ihn gehen. Wer den Schritt geschafft hat (hier bezieht sich Platon auf Philosophen wie Sokrates, der durch den Schierlingsbecher umkam), dem wird man mit großer Sicherheit keinen Glauben schenken.
Empirismus (John Locke und David Hume)
Im Gegensatz zum Idealismus glaubt der Empirismus daran, dass die erscheinenden Gegenstände unserer Welt wirklich sind. Nach dem Motto: „Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war“ leiten Empiristen alle Erkenntnis induktiv aus den Erfahrungen der Sinne ab.
Nach John Locke (1632 – 1704) ist der Mensch bei seiner Geburt zunächst ein unbeschriebenes Blatt (tabula rasa), das durch Sinnlichkeit und Reflektion zur Erkenntnis kommt.
- Durch Sinnlichkeit (sensation) erfährt er äußerlich wahrnehmbare Eindrücke/Objekte. Aus primären Qualitäten (objektiven Eindrücken) und sekundären Qualitäten (subjektiven Eindrücken) erstellt der Mensch einfache Vorstellungen, welche durch Zutun des Subjekts (Kombination einfacher Ideen mit eigenen Erfahrungen) zu komplexen Vorstellungen werden können.
- Mithilfe von Reflektion (reflection) nehmen wir innere Eindrücke wahr. Wir spüren sozusagen innere Vorgänge unseres Geistes, merken also zum Beispiel, ob wir denken, vergleichen, schließen, zweifeln oder glauben.
Der Begriff „Erfahrungen“ bezeichnet bei Locke durch Anschauung, Wahrnehmung und Empfindung gewonnenes Wissen als Grundlage der Erkenntnis. Locke unterteilt Gewissheiten zudem in die demonstrative (auf Grundlage von nachweisbaren Fakten), die sensitive (auf alleiniger Basis sinnlicher Wahrnehmung) und die intuitive Gewissheit (welche auf unmittelbarer Einsichtigkeit beruht).
David Hume (1711 – 1776) unterteilte Gegenstände menschlichen Denkens und Forschens in Vorstellungsbeziehungen und Tatsachen:
- Vorstellungsbeziehungen (relations of ideas): z. B. die Mathematik, hohe Gewissheit (entsprechend der demonstrativen Gewissheit), durch bloße, objektive Denktätigkeit herauszufinden, nicht sinnlich wahrzunehmen, gelten, ohne in der Außenwelt existieren zu müssen
- Tatsachen (matters of fact): Schlussfolgerungen, die nie gewiss und immer auch anders denkbar sind, weil wir nichts beweisen können, etwa „Geht die Sonne auch morgen wieder auf?“
Als Mittelglied zwischen diesen beiden bezeichnete er die Erfahrung der Menschheit. In diesem Zusammenhang erweiterte Hume den Erfahrungsbegriff von Locke um Qualitäten, die unseren Sinnen und unserem Verstand verborgen bleiben und die wir erst durch Erfahrung feststellen können. So sprach er von einem Erwartungsgefühl, das – nach dem Kausalitätsgesetz – einsetzt, wenn bestimmte Eindrücke regelmäßig auftreten (Ursache-Wirkungs-Relation).
Rationalismus (René Descartes)
Entgegen des Empirismus beruft sich der Rationalismus vorrangig auf den Verstand als Quelle der Vernunft. René Descartes (1596 – 1650) wollte die Erkenntnis ausschließlich mit dem Verstand mit deduktiven Methoden aus Prämissen ableiten. Dies sei uns möglich mithilfe von der Menschheit von der Natur angeborenen Ideen – dazu zählte er die Idee der unendlichen Substanz (Gott), der endlichen und denkenden Substanz (menschlicher Geist) und der endlichen und ausgedehnten Substanz (Materie). Descartes trennte die Welt in:
- materielle Welt: „Res extensa“ als die körperliche, endliche Welt (das Äußere)
- nicht-materielle Welt: „Res cogitans“ als denkender, unendlicher Geist (das Innere)
Die Erkenntnis beschrieb er so: Zu Lebensbeginn ist der Mensch frei von jeglicher Erkenntnis und durch Vorurteile fehlgeleitet. Der Weg zur zweifelsfreien Erkenntnis führt über den methodischen Zweifel:
- radikaler Zweifel: sich seiner Fehlbarkeit bewusst sein und grundsätzlich alles (Wahrnehmung/Denken/Existenz) anzweifeln
- Analyse: Probleme in kleine, einfache Teilbereiche zerlegen
- Konstruktion/Systematisierung: Gliedern der Bereiche, um dann das Problem vom Einfachen zum Schweren zu lösen
- Überprüfung: gibt es Widersprüche? ist alles vollständig?
Descartes stellte außerdem fest, dass es scheinbar kein effektives Kriterium gibt, ob man gerade wach ist oder träumt oder sonstigen Illusionen anheimgefallen ist. Rationale Erkenntnisse sind also prinzipiell bezweifelbar (Traumargument). Als einzig sichere Erkenntnis kam der Rationalist zu dem Schluss: „Ich denke, also bin ich“ (weil das, was denkt, zu dem Zeitpunkt, an dem es denkt, nicht nicht existieren kann).
Den Beweis der Existenz Gottes sah er in der bloßen Existenz der göttlichen Vorstellung in unserem Bewusstsein. Die Gottesidee könne weder von außen noch aus dem Bewusstsein kommen, denn sie enthalte die absolute Wahrheit. Gott selbst musste uns diese Idee gegeben haben. Dies bewies laut Descartes die Welt als vollendet und Erkenntnis als höchstes menschliches Vermögen (Gottesbeweis).
Reflektion von Empirismus und Rationalismus
Während der Empirismus behauptet, alle Erkenntnis stamme aus der Erfahrung mit sinnlichen Wahrnehmungen als Grundlage, sucht der Rationalismus die Erkenntnis in der Vernunft. Dabei lehnt er sich sogar teilweise an Platons Ideenlehre aus dem Idealismus an. Man könnte sagen: Die platonische Wiedererinnerung wird im Rationalismus zur Bewusstwerdung von ursprünglich bereits implizit mitgegebenen Ideen. Anders ist es im Empirismus:
„Der Verstand scheint mir nicht den leisesten Schimmer von irgendwelchen Ideen zu haben, die er nicht aus einer dieser beiden Quellen [sensation und reflection] empfängt.“ (Ausschnitt aus: John Locke. In: Ekkehard Martens (Hg.): Ich denke, also bin ich, C. H., Beck, München 2000, S. 146 – 149)
Wendet man die beiden Erkenntnistheorien in der Wissenschaft an, kommt man zu zwei grundlegenden Prinzipien:
- Bei der induktiven Forschung (Empirismus) geht es darum, dass mit Hilfe eines Einzelfalls eine allgemeine Aussage getätigt werden soll. Man versucht in dieser Forschungsart von einem beobachteten Ereignis Schlussfolgerungen für die Allgemeinheit abzuleiten.
- Bei der deduktiven Forschung (Rationalismus) geht es darum, dass man von einer allgemeinen Aussage auf einen Einzelfall schließt. Man versucht also eine allgemein geltende Theorie an einem direkten Beispiel zu überprüfen.
Beispiel Forschung am Corona-Virus:
- induktiv: Tierversuche liefern Basis-Erkenntnisse in der Corona-Forschung -> Erkenntnisse für Wissen für Menschen
- deduktiv: Untersuchung Erkenntnisse über COVID-19 Vorgänger: Krankheiten und Impfstoffe, dadurch Rückschlüsse auf jetziges Virus
Die Kritik am Empirismus kann man folgendermaßen grob zusammenfassen:
- Sinnestäuschungen sind möglich und Sinnesdaten sind begrenzt.
- Laut dem Induktionsproblem gibt es keine unbegrenzt logische Gültigkeit und keine sicheren Erkenntnisse (sind alle Vögel schwarz, weil einer es ist?).
- Empiristen bieten keine Ursachenerklärung, sie beobachten nur Ereignisse (Kausalitätsproblem).
- Es besteht die Möglichkeit falscher Grundideen und naturalistischer Fehlschlüsse.
Der Rationalismus wird eher für den alles bestimmenden Zweifel und ewig herrschende Unsicherheiten kritisiert, welche nie ein endgültiges Ergebnis zulassen. Die Existenz angeborener Ideen wird stark diskutiert; zudem kommt die Vernunft nicht selten zu mehreren theoretisch möglichen Schlussfolgerungen, denen aber jegliche Realitätsnähe fehlt.
Den Versuch, beide Denkrichtungen zu verbinden und so die jeweiligen Nachteile auszugleichen, gab es oft. Ein Beispiel hierfür wäre Kants „Kritik der reinen Vernunft“.
Kritizismus (Immanuel Kant)
Immanuel Kant (1724 – 1804) nahm zunächst eine grundlegende Unterteilung von Urteilen vor:
- Analytische Urteile können allein aus dem Denken, also der Analyse eines Begriffes (und seinen Eigenschaften) geschlossen werden, z. B. „Junggesellen sind unverheiratet.“
- Bei synthetischen Urteilen müssen mehrere Begriffe zusammengeführt werden (Zusammensetzung von Aussagen -> Zuzug von Erfahrung), z. B. „Gestern war die Straße nass.“
- Urteile a priori können ohne das Beiziehen von Erfahrung gerechtfertigt werden, z. B. „Die Innenwinkelsumme im Dreieck ist 180°.“
- Aussagen a posteriori brauchen Erfahrung, z. B. „Die Umlaufszeit des Mondes um die Erde dauert 28 Tage.“
Bei Zusammenführung dieser Unterscheidungen stieß er auf folgende vier Fälle:
- Synthetische Urteile a posteriori entsprechen der Induktion der Empiristen.
- Analytischen Urteilen a priori bedient sich die Deduktion der Rationalisten.
- Analytische Urteile a posteriori sind nicht sinnvoll.
- Synthetische Urteile a priori sind umstritten: Rationalisten meinen, es gebe sie, Empiristen behaupten das Gegenteil.
Doch wie beantwortete Kant selbst die Frage? Er sagte „jein“. Grundsätzlich gebe es synthetische Urteile a priori nicht, Ausnahmen seinen allerdings Raum, Zeit und Kausalität als angeborene Anschauungsideen des Denkens. Kant beschrieb diese Idee näher in seiner „Kritik der reinen Vernunft“. Seine Hauptaussagen waren:
- die Notwendigkeit von Erfahrung und Verstand für die Erkenntnis
- die Abhängigkeit unseres Erkennens von uns angeborenen Ideen -> darüber hinaus können wir nicht denken
Immanuel Kant wollte die Struktur und Grenzen der menschlichen Erkenntnis feststellen. In seinem Werk stellte er die subjektive Wahrnehmung/Erkenntnis der Menschen in den Mittelpunkt. Und er kam zu einem bedeutenden Schluss: „Nicht die Anschauung richtet sich nach der Beschaffenheit des Gegenstandes, sondern der Gegenstand richtet sich nach der Beschaffenheit des Anschauungsvermögens.“ Diese Umdrehung unseres Verständnisses von der Erkenntnis bezeichnet man auch als „Kopernikanische Wende“.
Im Ausgangspunkt stimmte Kant dem Empiristen Hume zu, dass wir unsere Erkenntnisse den Sinneswahrnehmungen verdanken; aber auch in unserer Vernunft liegen wichtige Voraussetzungen dafür, wie wir die Welt auffassen. Es gibt demnach bestimmte Bedingungen in uns, die unsere Auffassungen der Welt mitbestimmen. Er nannte diese Bedingungen „Formen der Erkenntnis a priori (vor aller Erfahrung)“ und unterschied die „Formen der Anschauung“ (Zeit und Raum) von den „Formen des Denkens“ (den 12 Kategorien des reinen Verstandes). Daraus entstand seine sog. „Transzendentalphosophie“ (transzendent = vor jeder subjektiven Erfahrung liegend und die Erkenntnis der Gegenstände an sich erst ermöglichend).
Das bedeutet konkret: Die Sinne liefern zwar das Material zur Erkenntnis, indem sie Erscheinungen der Dinge wahrnehmen, jedoch sind die Dinge an sich nicht erkennbar, da wir ihnen mit Zeit und Raum automatisch und unweigerlich eine Struktur aufdrücken (transzendentale Ästhetik). Der Verstand muss nun Urteile aus den Erfahrungen bilden, um zur Erkenntnis zu kommen. Dazu verbindet er Gegenstände der Anschauung mit Begriffen, indem er die 12 Kategorien des reinen Verstandes anwendet. Hier ist das Ding an sich also ebenfalls nicht erkennbar (transzendentale Logik). Zeit, Raum und Kausalität sind in diesem Sinn nach Kant vorrangig Eigenschaften unseres Bewusstseins, nicht der Welt an sich.
Aufgrund dieser Verzerrung der Wirklichkeit sieht Kant es als notwendig, Grundsätze zum korrekten Verstandesgebrauch aufzustellen. Laut ihn dürfe die Vernunft nicht rein spekulativ sein, sondern müsse immer praktisch gebraucht werden (-> 4 Kantische Fragen). Philosophie solle auf Wissenschaft und Gegensätzen (z. B. rational – empirisch) aufbauen.
Schlussbemerkung: Dieser Artikel ist in Vorbereitung auf mein mündliches Abitur im Fach Ethik entstanden. Allgemeine Tipps für das mündliche Abitur gibt es hier.