Lesedauer: 6 Minuten
ARBEITSMETHODEN Die schönste Zeit des Jahres für viele Schüler ist da: Es sind Sommerferien! Doch auch wenn die Vorfreude groß ist, kommt irgendwann der Punkt, an dem es langweilig wird. Anstatt jetzt den ganzen Tag nur vor dem PC zu hocken und irgendwelche Videospiele zu spielen, könnte man sich selbst einmal am Schreiben einer Kurzgeschichte versuchen.
Sommerferien-Langeweile? Hier kommen weitere Tipps, was du während der schönsten Zeit des Jahres tun kannst.
Kurzgeschichten begegnen uns im Unterricht immer wieder. Wer sie sich genauer anschaut, wird merken, dass sie ziemlich spannend sein können, weil sie in vielen Fällen einen direkten Bezug zu unserem Alltag besitzen. Berühmt sind Kurzgeschichten wie „Das Brot“ von Wolfgang Borchert oder „Die Streuselschnecke“ von Julia Franck; Letztere ist eine Lieblingsgeschichte von mir und lohnt sich auf jeden Fall (hier) zu lesen. Lieber als Kurzgeschichten zu lesen, schreibe ich jedoch meine eigenen. Und das ist gar nicht so schwer, wie man denken könnte. An einem Beispiel erkläre ich meine besten Tipps, wie auch du eine eigene Kurzgeschichte schreiben kannst.
Merkmale einer Kurzgeschichte
- Wie der Name es schon sagt, hat eine Kurzgeschichte eher einen geringen Umfang. Das können hundert Wörter sein oder aber zweitausend. Wichtig ist nur, dass man die Kurzgeschichte in einem Zug durchlesen kann.
- Eine Kurzgeschichte hat keine Exposition, d. h. man steigt unmittelbar in die Handlung ein, ohne die Umgebung oder Figuren näher zu beschreiben.
- Genauso plötzlich, wie sie beginnt, findet die die Geschichte ihren Abschluss, etwa durch ein überraschendes Ereignis oder ein offenes Ende.
- Die Kurzgeschichte dreht sich meist um ein zentrales Thema, das oftmals (nicht immer!) aus alltäglichen Situationen stammt. Prinzipiell sind jedoch alle Konflikte oder Themen erlaubt, die dich selbst bewegen.
- Meist spielen nur sehr wenige Figuren in einer Kurzgeschichte mit, beispielsweise zwei Dialogpartner oder auch nur der Erzähler selbst. Die Figuren werden nicht tiefgreifend charakterisiert.
- Die Handlung, die in einem zeitlich kurzen Rahmen spielt, wird linear und chronisch geschildert, die Sprache bleibt nüchtern und knapp. Oft fließen Ausdrücke aus der Alltagssprache ein.
Anmerkung: Natürlich müssen nicht zwangsläufig alle Kriterien erfüllt sein, dass man von einer Kurzgeschichte sprechen kann.
Einen passenden Konflikt finden
Bevor man sich an seine eigene Geschichte setzt, empfiehlt es sich, die Kurzgeschichten anderer AutorInnen zu lesen. So bekommt man nicht nur einen Eindruck davon, wie diese Textsorte im Allgemeinen aufgebaut ist, sondern wird auch von deren Themen inspiriert. Ich selbst brauche für meine Kurzgeschichten immer eine Inspiration von anderen Texten. Meine Kurzgeschichte „Lava“ zum Beispiel, welche dieses Jahr in der Anthologie „Beben“ des Literareon-Verlags veröffentlicht wurde, ist nur meine eigene Interpretation des Songs „Eiskalter Sommer“ von Juliane Werding.
Natürlich kannst du aber auch ein Zitat oder ein persönliches Erlebnis als Ausgangspunkt für deinen zentralen Konflikt wählen. Schreibe über deinen letzten Traum, den schönsten Tag deines Lebens oder den Mann, den du letzte Woche im Park spazieren gehen gesehen hast. Oder gibt es ein gesellschaftliches Thema, das dich gerade interessiert? Wichtig ist nur, dass du dein Thema konkret genug wählst. Überlege dir schon vorher die wichtigsten Charaktereigenschaften deiner Figuren und unter welchen Rahmenbedingungen die Handlung stattfinden soll. Ideal ist ein Konflikt, mit dem sich viele andere Menschen identifizieren können, weil er ihnen unabhängig von Ort und Zeit in vielen Situationen begegnen könnte.
Die Geschichte verfassen
a) Aufbau
Für die Einleitung gilt allgemein: Je kürzer, desto besser. Bereits mit dem ersten Satz muss der Leser mittendrin in deiner Kurzgeschichte sein. Verschwende keine Zeit auf die Beschreibung der Umgebung oder das Outfit deiner Protagonisten. Erzeuge so früh wie möglich Spannung, indem du den zentralen Konflikt andeutest.
Im Hauptteil steigerst du die zu Anfang erzeigte Spannung immer weiter. Achte auf einen roten Faden und vermeide unnötige Beschreibungen. Diese solltest du nur einbauen, wenn sie eine symbolische oder atmosphärische Bedeutung für deine Geschichte haben (was ich persönlich gerne mache, aber die Gefahr birgt, vom eigentlichen Konflikt abzuschweifen). Führe deine Figuren stattdessen linear zum Höhepunkt bzw. Wendepunkt der Geschichte.
Der Höhepunkt des Konflikts bildet oftmals gleichzeitig den – ebenfalls nicht allzu langen – Schluss deiner Kurzgeschichte. Baue ein unerwartetes Ereignis als Wendepunkt ein oder stoppe die Erzählung mitten in der Handlung, sodass sich der Leser den Ausgang des Konflikts selbst ausdenken muss. Optimal ist in jedem Fall, Raum zum Nachdenken zu lassen.
b) Sprache
Die Wahl der Kriterien des Erzählverhaltens ist zentral für die Ausgestaltung deiner Kurzgeschichte. Ich empfehle, eine von den im Folgenden aufgezählten Stilen zu wählen. Natürlich sind auch andere Erzählformen möglich, etwa die Wahl eines auktorialen Erzählers, deren Umsetzung ist jedoch deutlich komplizierter.
- ein neutraler Erzähler, der scheinbar unbeteiligt die Geschehnisse in der Er/Sie-Form schildert, Vorteil: leicht zu verfassen mit viel Interpretationsspielraum für den Leser, Nachteil: Gefühle oder Gedanken der Figuren werden nicht beschrieben
- ein personaler Erzähler, der während der ganzen Geschichte nur die Gedanken und Gefühle einer einzigen Person (Protagonist, Antagonist oder sogar eine Nebenrolle) kennt und in der Ich-Form erzählt, Vorteil: Leser ist unmittelbar am Geschehen beteiligt, Nachteil: glaubwürdige Ausgestaltung der Charaktereigenschaften notwendig, ohne diese direkt zu nennen
- ein personaler Erzähler, der in der Er/Sie-Form schildert, entweder aus der Perspektive nur einer Person oder im Wechsel zwischen verschiedenen Personen, Vorteil: vielfältig gestaltbar, Erzeugung einer besonderen Atmosphäre, Nachteil: sollte nicht zu komplex werden, da es sonst vom Inhalt ablenkt, also eher vorsichtig zu betrachten
Eine Kurzgeschichte bietet sich gut an, um in der Alltagssprache (der handelnden Figuren in ihren Rahmenbedingungen) verfasst zu werden. Auch das erzeugt eine gewisse Atmosphäre. Weiterhin kannst du mit stilistischen Mitteln, etwa Symbolen oder Metaphern arbeiten – vorausgesetzt sie passen zum Inhalt deiner Kurzgeschichte.
Überarbeiten der Kurzgeschichte
Um den roten Faden während des Schreibens nicht zu verlieren, solltest du versuchen, die Geschichte in einem Zug durchzuschreiben. Erst danach kannst du dir einen passenden Titel aussuchen (hier ist alles erlaubt) und die Geschichte an sich überarbeiten. Achte dabei unter anderem auf folgende Punkte:
- Bringt deine Einleitung dich dazu, weiterlesen zu wollen?
- Wird der zentrale Konflikt klar?
- Kann sich der Leser mit den Figuren identifizieren?
- Vermeidest du unnötige Ausschmückungen?
- Regt das Ende zum Nachdenken an?
Um dir etwas Starthilfe zu geben, habe meine eigene Kurzgeschichte „Lava“ auseinandergenommen und stelle einige Hinweise erneut an ihrem Beispiel dar:
Letztendlich musst du deinen eigenen Kurzgeschichten-Stil finden. Und das geht schneller als du vielleicht denkst. Wer weiß, vielleicht wirst du ja der nächste große Schriftsteller unserer Zeit? Viele Schriftsteller haben mit Kurzgeschichten angefangen, da sie weniger Vorarbeit als etwa ein Roman brauchen und man sich sowohl sprachlich als auch inhaltlich austoben kann. Also probiere dich hier gerne aus. Zudem gibt es viele Kurzgeschichten-Wettbewerbe mit einigen attraktiven Preisen.