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LEBENSSTORYS Du brauchst ein gutes Abi, um einen guten Beruf zu kriegen, sagen sie. Doch sie wissen nicht, was es heißt, gut in der Schule zu sein. Schule ist nämlich mehr als ein bisschen Auswendiglernen und Disziplin. Schule macht etwas mit den Menschen, die sie besuchen. Und nur du selbst kannst entscheiden, ob sie dich positiv oder negativ verändert. Das ist meine Geschichte.
Ich erinnere mich an die Euphorie, die ich jedes Mal fühlte, wenn ich eine gute Note erhielt. Doch ebenso oft war da auch die Enttäuschung, wenn es nicht wie erhofft klappte. Schließlich hatte ich so hart gearbeitet und bekam nichts, zumindest nichts Erfreuliches zurück. Was erlaubte sich die Schule eigentlich? Sie war nicht nur der Mittelpunkt meiner ganzen Jahresplanung, sondern konnte direkten Einfluss auf meine Stimmung nehmen. Warum tat ich mir das an? Hat sich all dies gelohnt?
Anerkennung
„Und zu guter Letzt gibt es eine weitere Tradition an unserer Schule.“ Als unsere Schulleiterin (nennen wir sie Frau Berger) diesen Satz zu Ende der Abizeugnisvergabe sagte, wusste ich schon, was folgen würde und musste ein Lächeln unterdrücken. Zu neunt standen wir, 8 Jungs und ich als einziges Mädchen, auf der Bühne und hatten bereits unsere Preise für besondere Schülerleistungen erhalten. Ich hatte den DPG-Abiturpreis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft erhalten, doch das ist wiederum eine andere Geschichte …
„Wir haben in den vergangenen Jahren oftmals den Abiturschnitt 1,0 auf dieser Bühne geehrt. Eine Durchschnittsnote von 1,0 gibt es dieses Jahr nicht“, fuhr Frau Berger jetzt fort. „Trotzdem möchten wir drei Schüler ehren, welche mit einem ebenfalls hervorragenden Schnitt von 1,2 das beste Abitur dieses Jahrgangs erreicht haben.“ Sie zählte die zwei anderen, sehr guten Schüler auf, die bereits im ersten Durchgang der Zeugnisausgabe eine kleine Hundertwasser-Anstecknadel als Anerkennung ihrer Leistungen erhalten hatten. Dann nannte sie meinen Namen und der ganze Saal begann, für mich zu klatschen.
Während Frau Berger noch irgendwas über die Anstecknadel erzählte, genoss ich die Augenblicke auf der Bühne. Ich hatte mich noch nie auf einer Bühne fremd gefühlt und war für einen Moment glücklich, mit meinem roten Kleid ein so auffallendes Styling gewählt zu haben. Ich konnte nicht aufhören zu strahlen. Es ging nicht darum, mit anderen Jahrgangsbeste zu sein (das habe ich mir nie zu träumen gewagt). Doch für genau diese Minuten hatte ich acht lange Jahre hart gearbeitet und immer nach den mir bestmöglichen Ergebnissen bestrebt. Ich hatte es mir verdient und konnte wirklich stolz auf mich sein.
Euphorie
Das Gefühl einer gewissen Euphorie hielt noch eine Weile an – auch während der Abi-Rede, die gerade von zwei Jahrgangsmitgliedern gehalten wurde. Gefüllt mit vielen witzigen Anekdoten, war sie perfekt auf unseren Jahrgang zugeschnitten. Besonders eine Geschichte, auf welche die Rede zurückkam, wird mir wohl immer im Gedächtnis bleiben: Es war damals im Online-Musikunterricht, als ein Mitschüler vergessen hatte, sein Mikro auszumachen und nun vor dem ganzen Kurs – anstatt zuzuhören – die Ringparabel aus Nathan der Weise aufsagte … Ach ja, Corona-Geschichten.
Irgendwann im Laufe der Rede fiel zum vierten Mal an diesem Tag mein Name: „Ein großer Dank geht ebenfalls an die größte aller Internetikonen aus unseren eigenen Reihen: Maja Ruprecht mit ihrem Blog!“ Wieder wurde laut applaudiert. Ich wusste, dass sich seine Existenz bereits herumgesprochen hatte, aber in diesem Moment erfuhren auch alle anwesenden Lehrer von blogmaja.de und das machte mich gleichzeitig nervös und glücklich.
Zuhause angekommen, bestaunte ich meine kleine Hundertwasser-Anstecknadel, natürlich mein Abiturzeugnis und die kostenlose einjährige Mitgliedschaft bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft – samt spannenden Veranstaltungen und möglichen Kontakten zu bekannten Wissenschaftlern. Fast fühlte es sich an, als hätte ich Geburtstag.
Druck
Meine Eltern waren überwältigt, dass ich zu den Jahrgangsbesten gehörte. Für mich ist es eher so ein cooler Nebenfakt. Damals, als ich auf das Luther-Melanchthon-Gymnasium wechselte, habe ich nie gedacht, ich könnte meinen 1er-Schnitt aus der Grundschule halten. Doch ich schaffte es, all die Jahre immer zwischen 1,1 und 1,4 zu stehen. In der 10. Klasse, so langsam ging es auf die Oberstufe zu, wurde mir bewusst: Keine Ahnung, wie schwer die Oberstufe wird, aber du kannst ein Abi unter 1,5 schaffen! – Hier stehe ich nun mit 1,2 und kann nur sagen: Es war ein Haufen Arbeit.
Wer aufmerksam auf diesem Blog liest, weiß, dass ich keineswegs 24/7 am Lernen war. Ich fand meine Leidenschaft am Journalismus wieder, ich entdeckte die Fotografie für mich, ich verlor die Physik nie aus den Augen. Trotzdem – und das sage ich jetzt, ohne jemandem Angst machen zu wollen – zählten die Wochen vor und während der Klausurphasen zu den stressigsten meines Lebens. Die immer andauernde Anspannung vor den Arbeiten, das ganze Wissen in meinem Kopf und nicht zuletzt der Druck, den ich mir selbst machte, leisteten da ihren Beitrag.
Die letzten zwei Jahre waren für mich eine Art Crashkurs in „Wie motiviere ich mich selbst?“, „Wie lerne ich am effektivsten?“, „Wie stehe ich Gruppenarbeiten durch?“ und „Wie besiege ich die Prüfungsangst?“, denn die Methode „Ich lerne einfach irgendwie nach Gefühl“ funktionierte nicht mehr. Mein Zeitplan ließ kaum Lücken für spontane Aktivitäten zu und ich, die sonst gerne einen Tagesausflug am Wochenende gemacht hatte, freute mich auf nichts mehr als ein paar Tage zuhause ohne Termine. Und obwohl ich mir immer wieder selbst sagte: „Schalte mal eine Gang runter und mache einen Tag gar nichts! Du tust doch schon dein Bestmögliches!“, war da immer noch diese innere Stimme, die flüsterte: „Da geht noch was.“
Motivation
Viele Ideen für Lerntipps auf diesem Blog orientieren sich an denen aus dem Buch „Die geheimen Tricks der 1,0er-Schüler“ von Tim Nießner; ein Buch, das ich nie ganz gelesen habe, aber unbedingt weiterempfehlen kann. Es enthält viele wertvolle Aspekte für Schulerfolge, die den meisten Leuten wahrscheinlich gar nicht bewusst sind. Doch neben all den motivierenden Worten brachte es mich vor allem mit folgender Überschrift zum Nachdenken: „Jeder kann ein 1,0er-Abitur machen“. Ist das so? Oder: Ist ein 1,0er-Abi überhaupt erstrebenswert?
In einer Sache stimme ich mit dem Buch überein: Es gibt tatsächlich zwei Arten von 1er-Schülern. Da wären zunächst die, die es einfach können – die ihre Schaff-ich-mit-links-Fächer haben und in den anderen Fächern ihre Aufzeichnungen einmal durchlesen und verstanden haben, worum es geht. Und dann gibt es Leute wie mich. Normale Schüler ohne besondere Talente, die sich durch Ehrgeiz und harte Arbeit an die Spitze kämpfen – Leute, welche eine gewisse Motivation entwickelt haben, das Beste aus sich und aus der Schule herauszuholen.
Ich hätte früher nie behauptet: „Schule und Lernen ist eine Qual.“ Mit meinem natürlichen Wissensdurst und einer guten Auffassungsgabe hatte ich alle wichtigen Voraussetzungen, die unteren Klassen gut durchzustehen. Mit zunehmender Klassenstufe stellte sich auch für mich heraus, dass Schule eben kein Zuckerschlecken ist – vor allem, wenn man ein vorbildlicher Schüler sein will. Mehr Hausaufgaben, mehr Projekte, mehr Stress. Der „Ich gehe in die Schule, weil ich wissensdurstig bin!“-Aspekt ging immer weiter verloren. Es ist mir ein Rätsel, dass ich trotz des Zeitaufwands nie daran dachte, einfach mein Leben zu genießen und mich mit guten statt sehr guten Noten zufrieden zu geben.
Antrieb
Ich kenne viele Leute, die sagen, sie hätten locker einen 1er-Schnitt erreichen können, haben aber lieber ihre Freiheit genossen – und bereuen diese Entscheidung überhaupt nicht. Daran gibt es nichts Verwerfliches. Ich selbst wusste schon früh, dass ich keinen NC für mein Studium brauchen würde. Ich habe keine strengen Eltern, die bestimmte Ergebnisse von mir erwarteten. Die einzige Person, die gute Leistungen von mir erwartete, war ich selbst. Und diesen inneren Anspruch an mich selbst konnte ich nicht abstellen. Er war immer da und trieb mich an, trotz aller Enttäuschungen und verlorener Zeit. Und ich bin ihm letztendlich dankbar. Denn es gibt kein besseres Gefühl, als mit einem tollen Abiturzeugnis in der Hand sagen zu können: „Ich habe mein Bestes gegeben.“
Ich möchte dich mit diesem Artikel dazu bringen, dir selbst eine wichtige Frage zu stellen: Wirst du auch noch in 10 Jahren, wenn du an heute zurückdenkst, mit deinen jetzigen Leistungen zufrieden sein? Kannst du zu hundert Prozent mit „ja“ antworten, solltest du genauso weitermachen wie bisher. Dann hast du deine Entscheidung bereits getroffen und bist glücklich damit. Kommen jetzt aber Zweifel in dir auf – und damit meine ich keine Zweifel, die dir deine Eltern oder Freunde in den Kopf gesetzt haben, sondern Zweifel, die in dir selbst entstehen – solltest du etwas ändern.
Doch fange jetzt nicht blind an, irgendetwas zu lernen, nur um dein aufkommendes schlechtes Gewissen zu beruhigen (kurzfristige Motivation war noch nie eine gute Idee). Wenn du nachhaltig etwas ändern möchtest, brauchst du einen Antrieb, oder besser gesagt: du brauchst DEINEN Antrieb. Wahrscheinlich siehst du momentan einfach nicht den Sinn in Schule. Wozu musst du wissen, was Onomatopoesie ist oder wie man mit Logarithmen rechnet? Ganz ehrlich: Wir wissen alle, dass wir das Meiste des Schulstoffs in zwei Jahren wieder vergessen haben. Doch hier geht es nicht darum, den Sinn im zu lernenden Schulstoff zu finden. Es geht darum herauszufinden, welchen persönlichen Mehrwert das Lernen an sich dir bringt.
Den Mehrwert am Lernen finden – 3 Ideen
1. Die eigene Neugier wiederentdecken. Als Kinder haben wir aufrichtiges Interesse an so ziemlich Allem in der Welt. Warum sind Tomaten rot? Wo liegt Spanien? Wie funktioniert dieser Apparat? Je älter wir werden, umso mehr scheint diese Neugier zu verschwinden. Auch die Schule leistet da oft ihren Beitrag. Wer lernt schon gerne für einen Test?
Wir sollten stattdessen anfangen, wieder für uns selbst zu lernen. Aus purem Interesse. Na klar interessieren wir uns nicht für alle Unterrichtsinhalte gleichermaßen. Aber gibt es da in uns nicht diese eine Frage, deren Antwort wir immer schon mal kennen wollten? Und wäre es nicht toll, genau diese Antwort mit unserem Gehirn über Zusammenhänge aus der Schule selbst herzuleiten, anstatt die Frage einfach zu googeln? #selbstnachdenken
2. Die Türen zur Zukunft offenhalten. Der offensichtlichste Grund zum Lernen ist der, dass ein guter Abschluss dir alle Türen zur Zukunft offenhält. Je besser deine Noten sind, umso höher sind die Chancen, deinen Traumberuf erreichen zu können. In vielen Ländern gilt Bildung als Statussymbol und erhöht deine gesellschaftliche Anerkennung. Wenn dir Gesellschaft reichlich egal ist, dann sieh es mal von dieser Seite: Menschen mit mehr Allgemeinwissen gehen oft selbstbewusster und mit offeneren Augen durch die Welt, was für andere Personen nachweislich auch deine Attraktivität erhöht. #seinzielerreichen
3. Persönlich wachsen. Darüber hinaus ist Lernen der einfachste Weg, sich selbst etwas zu beweisen. Sieh es als Challenge für dich selbst, in der nächsten Arbeit eine Note besser zu schreiben und belohne dich, wenn du es schaffst. Verlasse deine Komfortzone und wachse über dich selbst hinaus. Oder wie eine Freundin es ausdrückte: “Lernen zeigt, dass man etwas durchziehen kann, auch wenn man am Verzweifeln ist.“
Du wirst erkennen: Lernen ist so viel mehr als purer Schulstoff. Verbessere deine Selbstdisziplin, deine soziale Kompetenz in Lerngruppen und halte dein Gehirn fit. Wer weiß, vielleicht erkennst du dich nach zwei Monaten Lernroutine gar nicht mehr selbst wieder? #persönlichkeitsveränderungen
Erfolg
Hast du erst deinen persönlichen Antrieb gefunden, kann ich aus Erfahrung sagen, dass der Rest wie von selbst funktioniert. Du gehst mit offeneren Augen durch den Schulalltag, fängst an, von dir selbst aus nach Methoden zum effektiveren Lernen zu suchen und merkst, dass deine Motivation mit den ersten Erfolgen sogar noch weiter steigt. Du wirst oft zweifeln und kurz davor sein, alles hinzuschmeißen, weil dein Plan eben doch mehr Lebensbereiche umfasst als du dachtest. Aber nach ein paar Monaten hast du deinen eigenen Rhythmus gefunden und ein Gefühl dafür entwickelt, für welche Fächer du bereit bist, wie viel Arbeit hineinzustecken.
Hätte ich kaum gelernt, wäre ich wahrscheinlich auch bei einem 2er-Schnitt gelandet, was mich nicht glücklich gemacht hätte. Oder andersherum: Hätte ich noch mehr Arbeit in die Schule gesteckt, wäre vielleicht ein 1,0er-Schnitt drin gewesen. Doch ich habe gemerkt, dass ich mit meinem Lernpensum bereits an meiner persönlichen Grenze war und bin kein bisschen enttäuscht, „nur“ 1,2 zu haben. Ein Freund sagte mir mal: „Kein Mensch wird dich dafür verurteilen, keine 1,0 auf dem Zeugnis stehen zu haben. Selbst bei 1,6 oder 2,2 kann man sehr stolz auf sich sein.“
Na klar, eine 1,0 ist toll. Und es ist durchaus zu schaffen – entweder mit einem Supergenie oder mit harter Arbeit. Denn wenn man dazu bereit ist und ein paar Tricks beherrscht (zu nennen wären da mündliche Mitarbeit, Zeitplanung, die richtigen Freunde …), kann man so gut wie alles schaffen. Doch 1,0 ist keineswegs notwendig, möchte man nicht Arzt oder Richter werden. Wichtig ist, sich selbst zwar ehrgeizige, aber auch realistische Ziele zu setzen.
Last but not least
Egal, auf welcher Stufe des Schulweges du jetzt stehst: Höre immer auf deine innere Stimme! Was möchtest du in deinem Leben erreichen und wie kann dir das Lernen dabei helfen? Strebst du nach besseren Leistungen, dann komme aus deiner Komfortzone heraus und teste deine Grenzen aus. Nutze die Sommerferien, um Literatur oder wissenschaftliche Artikel zu lesen, um deine Hefter zu organisieren oder alten Schulstoff zu wiederholen. Doch entspanne dich auch und gönne deinem Gehirn die Pausen, die es braucht.
Und wenn du dann dein Abiturzeugnis in der Hand hältst, sei stolz auf deine Leistungen. Vergiss Begriffe wie „Corona-Abi“. Es ist ganz allein DEIN Abi. Du hast allen Umständen getrotzt, die größte aller Schulprüfungen bestanden und weißt: Was auf diesem Papier steht, ist das Ergebnis deiner jahrelangen Arbeit.
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