Quanten, Kühe und Paläoklima – Ein Update zu meinem 7. Semester

Lesedauer: 10 Minuten

Ich lerne, Bild vor Laptop

LEBENSSTORYS. Auch in meinem siebten Unisemester fällt es mir noch schwer, immer den richtigen Mittelweg zwischen Arbeit und Entspannung zu finden. Meine Bachelorarbeit steht kurz bevor und mir eröffnen sich physikalische Probleme, bei denen ich mir noch nicht vorstellen kann, sie allein zu bewältigen.

Weihnachtsferien 2024/25. In diesem Semester habe ich mich entschieden, euch bereits jetzt ein kurzes Update zu meinem aktuellen Unileben zu geben. Keine Sorge, es ist nichts Schlimmes passiert. Nur der übliche Kampf mit der Kälte und die Balance zwischen sich kugelnden Kühen und halb leeren Eis-Bonuskarten.

Alle Kühe sind Kugeln

Ich habe gerade in den Kalender geschaut. 2/3 des Semesters sind schon wieder rum. Sobald man einmal im Unileben ist, geht es irgendwie ganz schnell vorbei. In vier Tagen ist Weihnachten und wenn ich ehrlich bin: Ich konnte die zwei Wochen Weihnachtsferien kaum erwarten.

Das Semester hat eigentlich sehr entspannt begonnen. Abgesehen von meinem letzten Pflichtkurs ThePhy II (die Theoretische Physik zur Elektrodynamik) konnte ich meine Module dieses Mal selbst wählen. Ich entschied mich für Allgemeine Grundlagen der Geophysik und Klimaphysik, wobei Letzteres in zwei kleinere Seminare aufgespalten ist.

ThePhy II lief von Anfang ganz okay. Nachdem ich ThePhy I überstanden hatte, konnte ThePhy II kaum schlimmer werden. Die Übungsblätter, die wir in diesem Semester einzeln abgeben und die nur 2 Aufgaben enthalten sollten (sagte unser Professor), enthielten bis zu 4 Aufgaben und nahmen pro Woche 3 bis 8 Stunden Arbeit ein.

Ja, die Übungen sind nervig. Die Theoretische Physik hat sich mir nie ganz erschlossen und die Aufgaben sind wirklich schwer. Nicht unmöglich zu schaffen, aber sehr rechenlastig. Ohne ChatGPT wäre ich ab und zu gar nicht weitergekommen. Zwar kann die KI nicht gut rechnen und man sollte alle Schritte per Hand überprüfen, aber wenn man keinen Ansatz findet, ist ChatGPT wirklich ein Tool, welches weiterhelfen kann – wobei ich trotzdem Lösungswegen in Büchern immer mehr vertrauen würde.

Auch die Vorlesungen sind ganz okay. Unser Professor, der leidenschaftlich gern die Geschichte aller Theoretischen Physiker erzählt, hat zu fast allem einen guten Kommentar auf Lager. Zum Beispiel: „Der Dirac, der kannte auch keine Vorzeichen, deswegen hat er die Antiteilchen erfunden“ oder „Jaja, Theoretiker. Alle Kühe sind Kugeln“.

Beim letzten Spruch muss ich ihm zustimmen. Selbst die Lösung des Wasserstoffatoms (des einfachsten Atoms überhaupt) in Kugelkoordinaten zu berechnen, ist wahnsinnig umfangreich und nur mit diversen Näherungen zu bewältigen. Das Trägheitsmoment einer asymmetrischen, dreidimensionalen Kuh auf einem Karussell zu berechnen, will sich kein Physiker antun. Da macht man sie eben mal schnell zu Kugeln oder Zylindern.

Klimageschichte for Future

Etwas alltagsnäher ist die Geophysik. Zwar muss ich anmerken, dass einige Professoren (wie unser Geo-Professor) einfach nicht unterrichten können und einem das Lernen sehr erschweren, doch es kann sehr spannend sein, Aspekte der Plattentektonik und Seismologie genauer kennenzulernen. Insbesondere kann ich hier die gelernten mechanischen Gesetze explizit auf die Erde anwenden.

Früher habe ich mich ab und zu mit dem Klimawandel beschäftigt. Dass bei Fridays for Future so viele Schüler und Schülerinnen auf die Straße gingen, erschien mir verrückt. Was hatte sich plötzlich verändert, dass ein Thema, welches in den Jahren zuvor nie angesprochen wurde, plötzlich so starke Medienpräsenz erlangte?

In meiner Heimat gab es viele Klimaskeptiker und Menschen, welche den plötzlichen Aufruhr als „Panikmache“ bezeichneten. Ich wollte wissen, was wirklich hinter den Aussagen steckte, doch musste bald erkennen, dass mein Wissen in keinster Weise ausreichte, um mir eine eigene wissenschaftlich begründete Meinung zu bilden. Vielleicht, so war mein Ziel, könnte ich dieses Problem nach meinem Physikstudium besser beurteilen.

Der grobe Wirbel um den Klimawandel ist mittlerweile verblasst. Jetzt, nach 10 Wochen in der Vorlesung Klimageschichte der Erde, weiß ich, dass ich (fast) nichts weiß (Sokrates hatte Recht). Der Klimawandel ist wie die meisten physikalischen Probleme ein unglaublich komplexer Vorgang, der schlichtweg nicht in einer einfachen These erklärt werden kann.

Erst vor Kurzem habe ich meine erste eigene Hausarbeit geschrieben, zum Thema der Datengewinnung in der Paläoklimaforschung. Das Klima der früheren Erdgeschichte zu kennen, gilt als wichtiger Anhaltspunkt, um die heutige Klimaveränderung in den Kontext vorheriger natürlicher Klimaprozesse zu stellen und weitere Entwicklungen vorherzusehen.

Paläoklima: Temperatur im Holozän
Temperaturverläufe verschiedener Rekonstruktionen der letzten 12000 Jahre während des Holozäns. Man erkennt einen stabilen Temperaturverlauf bis vor etwa 100 Jahren. Der jetzige Temperaturanstieg übersteigt die Temperaturen der letzten 125000 Jahre.
(Quelle: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimavergangenheit/palaeoklima/12.000-jahre)

Klar ist: Jetzige Klimaveränderungen (+1°C in etwa 100 Jahren) sind auf die Erhöhung der menschengemachten Treibhausgasemissionen, insbesondere auf CO2, zurückzuführen und entsprechen nicht mehr den natürlichen Klimaschwankungen. Klimaforscher sprechen mittlerweile sogar von einem neuen Erdzeitalter, dem sogenannten „Anthropozän“ (von griech. „anthropos“ – Mensch).

Forschungsangelegenheiten

Die Klima- und die Geophysik erinnern mich daran, dass es auch noch anschauliche Physik gibt. Wenn man im ersten Semester die Mechanik abgearbeitet hat, wird die Physik immer abstrakter. Wer kann sich schon vorstellen, was elektromagnetische Wellen nun wirklich sind? Zwar kann ich mit ihrer Hilfe Radio hören und Fernsehen, aber die Wellen selbst konnte ich noch nie beobachten.

Noch schlimmer wird es in der Quantenebene oder in der Festkörperphysik. Ultrakleine Teilchen, die sich auf ultraschnellen Zeitskalen bewegen. Lichtpartikel, Photonen genannt, bewegen sich mit etwa 1‘080‘000‘000 km/h. Sich das vor Augen zu führen, ist reine Gehirnverknotung.

Blöd nur, dass ich mir gerade so ein abstraktes Themengebiet für meine Bachelorarbeit ausgesucht habe. Ich werde Gold-Palladium-Partikel mit Laserstrahlen beschießen und dabei Wärmeenergie auf die winzigen Nanoteilchen übertragen. Man nennt diesen Vorgang auch „Fotoheizung“.

Vor Kurzem habe ich den Betreuer meiner Bachelorarbeit kennengelernt. Er hat mir die grundsätzlichen Begriffe grob erklärt und mich durch das Labor geführt, in dem ich die nächsten Monate forschen darf. „Forschen“ – das klingt wirklich cool, aber auch angsteinflößend. Ich möchte gar nicht wissen, wie teuer die Geräte im Labor alle sind.

Ich weiß selbst noch nicht, wie mir die Forschung in der Physik zu einem aktuellen Forschungsthema gefallen wird. Ich hoffe gut, denn Forschung wird auch in meinem Physik-Master – und vielleicht meiner gesamten Laufbahn als Physikerin – eine große Rolle spielen. Mittlerweile, nach einiger Gewöhnungszeit an diese neuartige Aufgabe, bin ich ganz zuversichtlich.

Ich habe einen Artikel mit den aktuellsten Ergebnissen meiner Forschungsgruppe zu diesem Thema bekommen, sodass ich mich jetzt im Januar gut einlesen kann. Im Labor stehen werde ich dann in den folgenden Monaten. Wenn alles gut geht, habe ich die Bachelorarbeit und somit auch mein Bachelorstudium im Mai abgeschlossen.

Einfacher gesagt als getan, nebenbei stehen nämlich noch die üblichen Vorlesungen und Prüfungen sowie ein Blockseminar an. Doch ich will mich noch gar nicht so sehr auf die kommenden Monate konzentrieren, denn eigentlich sind gerade Ferien und die sollten zum Abspannen genutzt werden.

Mona-Lisa-Puzzle und Eis-Bonuskarten

Ich habe während dieses Semesters sehr darauf geachtet, möglichst viel meiner freien Zeit auch für andere Dinge als Uni zu nutzen. Das langwierige Vorarbeiten bringt mir am Ende kaum einen Mehrwert, außer dass ich nur umso mehr gestresst bin.

Sonnenuntergang über dem Feld
Spaziergang weit weg von der Uni

Mit dem Volleyball-Spielen musste ich leider aufgrund einer Verletzung aufhören, doch ich gehe noch regelmäßig zum Training meiner Dance Company und nutze alle Gelegenheiten, meine Mittänzer auch persönlicher kennenzulernen. Erst letzte Woche hatten wir unsere gemeinsame Weihnachtsfeier und haben beim Schrottwichteln alles Mögliche zwischen einem neuen Mona-Lisa-Puzzle und einer angefangenen Eis-Bonuskarte (die hab natürlich ich bekommen …) ausgetauscht.

Ich gehe wie schon die letzten beiden Semester regelmäßig in die Mensa und genieße die kurzen Unipausen dort. Wenn es passt, verabrede ich mich dann mit anderen. Das ist aber leider weniger geworden, weil ich durch meinen vom Regelstudienplan abweichenden Stundenplan alle meine Module als Einzelkämpfer bewältige. Dass ich im Master wieder mehr Kontakt zu Kommilitonen aufbauen kann, hoffe ich sehr.

Aktiv zu bleiben, fällt mir im Wintersemester immer schwerer. Wenn ich Montagmorgen um 7 Uhr aufstehe, um mit dem Fahrrad durch 5°C Kälte zur Uni zu fahren, ist es meist noch dunkel. Der einzige Vorteil nach der Hinfahrt ist, dass man wach und konzentriert in der Übung sitzt (und durchgeschwitzt, aber das würde ich nicht als Vorteil bezeichnen …).

Montag, Dienstag und Donnerstag verbringe ich dann bis 16 Uhr in der Uni und fahre – wieder im Dunkeln – mit dem Fahrrad nach Hause. Oftmals bin ich dann richtig fertig, weswegen ich auf die geplanten Sporteinheiten kaum noch Lust habe. Manchmal lasse ich sie deswegen weg. Aber wenn ich beschließe, sie trotzdem durchzuziehen, fühle ich mich danach, als hätte ich an diesem Tag körperlich und geistig etwas geleistet und das ist ein gutes Gefühl.

Zum Glück muss ich mittwochs und freitags nicht in die Uni. Diese Tage werden dann für alles Weitere, was ich noch nicht in der Uni geschafft habe, und natürlich auch zum Abspannen genutzt.

Da sich, wie bereits erwähnt, der Aufwand im Vergleich zu anderen Semestern bis jetzt in gewissen Grenzen gehalten hat, hatte ich auch kein Problem damit, an den Wochenenden nichts zu tun. Jetzt im Nachhinein wird mir klar, dass ich darauf schon viel früher hätte kommen müssen: Je ausgeglichener man ist, umso effektiver kann man unter der Woche arbeiten.

Trotz alldem habe ich die Weihnachtsferien wirklich gebraucht. Dabei war es gar nicht das Weihnachtsfest an sich, auf das ich mich freute. (Alle möglichen Familienmitglieder während der Feiertage abzuklappern, kann schnell von einer Freude zu Stress werden.) Es war die Tatsache an sich, fast zwei Wochen lang kaum Gedanken an die Uni zu verschwenden. Denn wenn wir ehrlich sind: Sie kann einen schon ziemlich einnehmen.

Ich weiß, die nächsten Monate werden weiterhin durch viel Arbeit für die Uni geprägt sein. Aber ein klein bisschen freue ich mich auch darauf, wieder in den Alltag zurückzukehren und die Physik noch etwas näher kennenzulernen. Meint ihr, ich schaffe es, mein Stresslevel auch weiterhin relativ niedrig zu halten?

Campus Golm im Winter
Campus Golm im Winter

Mein Studium an der Uni Potsdam

Hier geht es zu meinen anderen Artikeln während meines Physik-Studiums:

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