Zwischen Uniwahnsinn und Fahrradfreuden – Semester 5 & 6

Lesedauer: 22 Minuten

Campus Neues Palais
Campus Neues Palais der Uni Potsdam

LEBENSSTORYS An der Uni kann es ziemlich chaotisch zugehen… #uniwahnsinn. Da ist es dann umso schöner, nachmittags mit dem Fahrrad durch das schöne Potsdam nach Hause zu fahren und einfach abzuschalten. Jetzt hat man Zeit, das Buch zu lesen, das seit 2 Wochen auf dem Schreibtisch rumliegt. Nur kurz auf Instagram gehen … oh, eine neue Nachricht! „Ich schaff die Aufgaben zu morgen nicht mehr. Könntest du die übernehmen?“

Fünfter August 2024. Seit fünf Tagen ist Sommerpause der Uni. Ich atme tief durch und genieße den kühlen Moment an der frischen Luft. Eigentlich hätte ich jetzt ein paar Stunden Zeit gehabt, für die letzte noch bevorstehende Prüfung im September zu lernen. Doch ich entscheide mich dagegen.

Die Prüfung ist noch lange hin und es tut gut, etwas für sich selbst zu tun. Für diesen Blog zu schreiben. Innerhalb des letzten Studienjahres hat sich viel in meinem Leben verändert. Zum Guten, wie ich überzeugt bin.

Vor allem habe ich es endlich geschafft, mir weniger Stress wegen der Uni zu machen und das Studieren nicht mehr in meinen Lebensmittelpunkt zu rücken. Dies hat sich auch in meinen Leistungen gezeigt. Doch fangen wir von vorne an …

Modulchaos

Ein paar Tage vor Beginn des fünften Semesters stand meine Modulwahl noch immer nicht fest. Dadurch, dass ich beschlossen hatte, acht anstatt sechs Bachelorsemester zu studieren, war ich relativ frei in meiner Auswahl.

Ich musste definitiv eins der vier ThePhy-Module (Theoretische Physik) belegen, da ich diese aus Zeitgründen bisher vernachlässigt hatte. Und ich wollte mein Fortgeschrittenenpraktikum beenden, um weiterhin mit meinem bisherigen Laborpartner zusammen arbeiten zu können.

Nach Erstellen eines funktionierenden Stundenplans erfuhr ich, dass ein Lehrämtler-Freund von mir das ExPhy 5-Modul (Experimentalphysik) belegen musste, das ich eigentlich auf das siebte Semester hatte schieben wollen. Ich wusste, dass es viel mehr Spaß machen würde, mit ihm zusammen zu arbeiten und beschloss, meinen Stundenplan komplett umzubauen.

So kam es, dass ich gezwungen war, ThePhy 4 zu belegen, ohne jemals in ThePhy 1, 2 oder 3 gesessen zu haben. Doch ich war überzeugt, dass dies kein Problem sein würde. Und tatsächlich: Ich hatte zwar wie erwartet Probleme mit manchen Grundbegriffen aus der Theoretischen Physik, doch im Großen und Ganzen kam ich gut mit.

Auch keine Probleme bereitete mir mein Vertiefungsmodul Astrophysik. Da unser Professor selbst ein Buch über die Grundlagen der Astrophysik verfasst hatte, war es ein Leichtes, dieses Buch inhaltlich durchzuarbeiten (und noch dazu sehr interessant!). Auch die Übungsaufgaben und Eingangstests zu jeder Sitzung waren gut zu bewältigen, wenngleich ich mich nicht nur einmal über die sehr strengen Bewertungen der Übungsleiter beschwerte.

An sich wären mir die Punkte egal gewesen, doch wie schon die letzten Semester mussten in fast allen Modulen immer 50% der Punkte in den Übungsaufgaben geschafft werden, damit man dich überhaupt zur Prüfung zuließ.

Manchmal frage ich mich, ob man diese Regelung erfand, um den Studenten mehr Stress zu machen oder ob die ständige Beschäftigung mit den Themeninhalten tatsächlich die Verständnisfähigkeit erhöhen. Wahrscheinlich trifft beides zu. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie schön es wäre, keine wöchentlichen Abgaben zu haben. Hach, das wäre ein entspanntes Leben… Aber ich schweife ab.

Den größten Stress machten tatsächlich die Laborberichte, die wir zu jedem der sechs Fortgeschrittenenversuche abgeben mussten und die alle einzeln bewertet wurden. Zwar machte das Schreiben Spaß und die Versuche waren teilweise extrem spannend, doch mit scharfen Abgabeterminen alle zwei Wochen und dem ein oder anderen Problem mit meinem Laborpartner wurden diese Freuden auch schnell wieder gedämpft.

Leider geriet ich immer wieder an den Punkt, dass ich mir dachte, so könne es nicht weitergehen. Ich wollte weniger Stress, doch nichts hatte sich geändert. Und ich wusste nicht, was ich dagegen tun könnte.

Schlechte Dozenten und gute Freunde

Eine gute Ablenkung waren mir meine neuen Lehrämtler-Freunde. Es war für mich eine gänzlich neue Erfahrung, sich auf Vorlesungen und Übungen zu freuen, weil ich die Menschen, die sie mit mir hören würden, so mochte.

Ich erinnere mich genau an eine Vorlesung, bei der wir hinten saßen und Kekse hin- und herreichten. Dass ich es eigentlich nicht mochte, hinten zu sitzen und dass ich kaum etwas von der Vorlesung mitbekam, war mir bei all dem Spaß egal.

Übung in Molekülphysik
Molekülphysik-Übung

Im November bekam ich durch Zufall die Chance, bei einer Dance Company in Potsdam vorzutanzen und ehe ich mich versah, war ich aufgenommen. Auch hier lernte ich so viele neue Leute kennen, dass es mich Wochen kostete, mir all ihre Namen zu merken (wobei ich zugeben muss, dass ich schon immer sehr schlecht darin war, mich an Namen zu erinnern).

Das gute Gefühl, das mir all diese Menschen gaben, machte mir klar: Die Mühen und Überwindungen, neue Kontakte zu knüpfen, waren es wert. Ja, ich war in der Vergangenheit von einigen Mitmenschen enttäuscht worden, doch ich musste auch selbst aktiver werden und mich der Welt offener zeigen.

Den Wunsch, bei ihren Mitmenschen gut anzukommen, schien eine unserer beiden ExPhy-Dozent*innen nicht zu haben. Trotz vieler Hinweise und Evalutionen aus dem letzten Jahr hatte sie ihre Vorlesung nicht überarbeitet, sondern zog stur weiterhin ihren schlechten Lehrplan durch.  Es war das erste Mal, dass ich beschloss, aus Vorlesungen nichts mitnehmen zu können, sodass ich bald einfach nicht mehr hinging.

Generell gaben die zwei ExPhy-Vorlesungen keine gute Figur ab. Wenn Dozenten ständig krank sind und immer wieder Veranstaltungen ausfallen, kann kein gutes Lernergebnis dabei herauskommen. Doch ich muss zugeben, dass ich den Ausfall auch genoss, denn die freie Zeit wusste ich gut zu nutzen.

Ich kaufte mir ein Gravel Bike, quasi eine geländetauglichere Variante eines Rennrads und versuchte von nun an, so viel wie möglich mit dem Fahrrad zu fahren. Ich verbrachte weniger Zeit in Golm und der Abstand zur Uni tat mir richtig gut.

Manchmal ist Uni lächerlich

Das neue Jahr brachte wieder mehr Stress, denn ich wurde nicht nur ziemlich krank; es standen im Februar auch wieder die Prüfungen an. Zum Glück waren es nur zwei, aber leider hatten die Dozenten beider Module nicht vor, einen genauen Termin festzulegen.

Bis heute bin ich unzufrieden damit, dass Uniklausuren immer erst so spät angesagt werden. So ist es superschwierig, Urlaub zu planen, weil es ja immer sein kann, dass man in den Semesterferien wegen Prüfungen oder Praktika doch noch einmal in die Uni muss. Aber das ist leider wirklich ein Fakt, mit dem man sich früher oder später abfinden muss. Und ich schweife schon wieder ab.

Wie in jeder Klausurenphase verbrachte ich mehr Zeit zum Lernen. Ich beschloss, mich zunächst vollständig auf die mündliche ExPhy 5-Prüfung zu konzentrieren, denn dafür musste ich viel theoretisches Wissen über Moleküle und Festkörperstrukturen in meinem Kopf haben. Für ThePhy 4 würde ich danach immer noch über eine Woche zum Üben haben.

Anfang Februar erfuhr ich, dass in ThePhy 4 in der letzten Vorlesungswoche eine Probeklausur geschrieben werden würde. Ich bereitete mich nicht darauf vor, denn normalerweise wurden Probeklausuren nicht bewertet und dienten nur zur groben Orientierung.

Dass genau diese aber bewertet werden würde und quasi die erste Klausur ersetzte, erfuhr ich dann exakt einen Tag, bevor sie geschrieben wurde. All der Stress, den ich in den vorherigen Wochen so klein wie möglich gehalten hatte, brach auf einmal über mich herein.

Mehrere Stunden versuchte ich das Wichtigste in meinen Kopf zu quetschen. Aber da ich seit etwa zwei Monaten aus Zeitgründen keine einzige Übungsaufgabe gelöst hatte und die Klausur nur aus ebensolchen Rechenaufgaben bestand, sah ich kaum Chancen, in der Probeklausur bestehen zu können. Geschweige denn, eine halbwegs gute Note zu erzielen.

Schloss Sanssouci im Winter
Winter am Schloss Sanssouci

Angesetzt war die Klausur für vier Stunden, aber da der entsprechende Raum nur für zwei Stunden gemietet war, mussten wir zur Halbzeit plötzlich umziehen. Ich verstehe nicht, warum man das bei der Planung nicht hatte voraussehen können, aber naja.

Mit unseren Arbeiten bepackt stapften wir also über den Campus ins Physikgebäude, wobei redlich über dies und das und sicherlich auch einzelne Lösungen diskutiert wurde. Es war schlichtweg lächerlich, denn wir hatten keinen Raum, in den wir danach gehen konnten und wurden auf zwei kleine aufgeteilt, wobei es nur einen Aufseher gab.

Ihr könnt euch also sicherlich vorstellen, dass in dem jeweils unbewachten Raum abgeschaut wurde, so viel es nur ging. Ich selbst habe es immer gehasst, meine Noten nicht auf ehrlichem Weg zu verdienen, also kämpfte ich mich allein durch die fünf Seiten Textaufgaben. Irgendwann gab ich auf. Ich hatte zu jeder Aufgabe ein bisschen geschrieben, aber keine vollständig lösen können. Eine Stunde vor Abgabe verließ ich den Raum.

Eine Woche nach der Klausur wurden wir in die Uni berufen, um die Noten zu erfahren. Der Übungsleiter rief einzeln die Leute nach vorn und zeigte ihr Ergebnis. Wir konnten dann sagen, ob wir die Note annehmen oder die Klausur erneut schreiben wollten.

Ich staunte nicht schlecht, als ich auf meinem Blatt eine 2,7 entdeckte. Das war keineswegs mein Traumergebnis, doch für eine unvorbereitete ThePhy-Klausur war das echt gut. Ein wenig kämpfte ich mit mir. Ich könnte sicherlich noch besser sein, wenn ich mich erneut vorbereiten würde. Aber wollte ich das?

Nein. Dies war der erste Schritt dahin, der Uni und den Noten weniger Wert beizumessen. Schließlich hatte ich mir so die komplette Vorbereitung gespart und konnte nun die Semesterferien eine ganze Woche länger genießen. Ich wusste, es war die richtige Entscheidung.

Neue Terminprobleme

Wenn ihr glaubt, das war schon verrückt genug… das war leider noch nicht alles, was diese Prüfungsphase mir zu bieten hatte.

Nach mehrwöchiger Vorbereitung stand schließlich auch die ExPhy 5-Prüfung an. Eine halbe Stunde vor Prüfungsbeginn, es war 8:30 Uhr am Montagmorgen, schaute ich in meine E-Mails, um ja alle Prüfungsdetails erneut zu überprüfen. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah.

Die Prüfung war doch tatsächlich abgesagt worden. Mit der Begründung, eine Dozentin wäre krank. Sie würden sich in Kürze mit einem neuen Termin melden. Nun, das war echt blöd. Der ganze Stress umsonst (ich bin immer sehr aufgedreht vor Prüfungen). Das Aufreibendste an der Situation war aber, dass ich nicht wusste, wann der neue Termin sein würde. Morgen? Nächste Woche? Sollte ich noch weiterlernen?

Da auch noch die Mittwochstermine ausfielen, war mir irgendwann klar, dass die Dozentin wohl nicht so schnell wieder gesunden würde. Leider antwortete mir auch nach ein paar Tagen noch immer niemand auf meine E-Mails. Ich wurde unruhig, denn ich wollte bald in den Urlaub fahren und wäre dann nicht mehr hier an der Uni.

Dann irgendwann kam die Antwort: „Ihr neuer Prüfungstermin ist am 02.03.“  Wow, perfekt. Genau da wollte ich gerade an der Ostsee sein. Es entstand ein reger E-Mail-Wechsel, dass ich an diesem Termin nicht könne und warum ich nicht früher einen neuen Termin kriege. „Dass Sie in den Urlaub fahren, ist Ihre private Angelegenheit“, lautete es in einer Mail.

Da nicht nur ich Probleme mit den neuen Terminen hatte, schalteten wir den Fachschaftsrat ein. Der sollte genug Macht haben, um auf diese ungerechte Behandlung aufmerksam zu machen. Tatsächlich begann die Dozentin irgendwann, über Termine zu verhandeln. Zum Glück mit Erfolg.

Ich war sehr nervös, als ich am 28.02. vor dem Prüfungsraum wartete. Nahm die Dozentin es mir übel, dass ich so sehr wegen des Termins diskutiert hatte? Man stellte mir 30 Minuten lang Fragen und obwohl ich sehr intensiv gelernt hatte, fiel es mir schwer, immer den genauen Kern der Frage zu verstehen.

Ich merkte, dass von mir ganz bestimmte Wortlaute als Antwort erwartet wurden, obwohl ich anders formuliert dasselbe gemeint hatte. Ich schnitt am Ende gut ab, doch das ungute Gefühl gegenüber meiner Dozentin blieb.

Sie hatte fair bewertet, doch ich wusste, dass andere Kommilitonen schlechtere Erfahrung gemacht hatten. Letztendlich waren wir immer noch Studenten und von dem Wohlwollen unserer Dozenten bei Bewertungen abhängig.

Alltagsstimmung im Uniwahnsinn

Nach zwei freien Monaten im April wieder in den Alltag hineinzukommen war schon komisch. Während zwei kurzer Urlaube hatte ich gut abschalten können. Danach mit gleich zwei ThePhy-Kursen (ja, die Zahl zwei kommt hier irgendwie ganz schön oft vor…) konfrontiert zu werden, war ein richtiger Tapetenwechsel. Aber ich hatte es mir ja genau so ausgesucht.

Magnetooptischer Versuchsaufbau
Magnetooptischer Versuchsaufbau zur Untersuchung des Faraday-Effektes

Es ist eine krasse Erfahrung, fast 8 Stunden an einem Tag im Labor zu stehen. Und das vor teuren Geräten, deren Funktionsweise man auch nach 7 Stunden nur so halb verstanden hat. Einerseits mochte ich die Experimente unheimlich, da man in einzelne Themenbereiche tiefgreifende Einblicke bekam.

Andererseits hatten wir pro Versuch nur jeweils zwei Wochen Zeit. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich frage mich immer wieder: Wie sollen wir gute wissenschaftliche Arbeit leisten, wenn wir unter so einem Zeitdruck stehen? Schließlich schreiben sich 20-seitige Laborberichte nicht von selbst.

Da ich an meinen Unitagen meist mehrere Blöcke hintereinander und nur 3 Minuten Mittagspause hatte, konnte es teilweise schon stressig werden. Ich fuhr dann mit meinem Fahrrad zu den Vorlesungen, um gegen 11:45 Uhr pünktlich den Saal zu verlassen und mit dem Rad über den Campus zur Mensa zu düsen. Stets in der Hoffnung, dass die Schlange vor der Essensausgabe nicht zu lang war.

Ich aß, so schnell ich konnte, um dann gegen 12:14 Uhr pünktlich zur nächsten Vorlesung bereit zu sein. Am Ende habe ich mir bestimmt zu viel Stress gemacht. Ich war nicht die Einzige, die manchmal knapp zu spät in Saal erschien. Bei den genervten Blicken des Professors wünschte ich mir aber manchmal schon irgendwie, auch ihn den Mittagsstress in der Mensa erleben zu lassen.

Tatsächlich will ich gar nicht so schlecht über die Mensa reden. Ja, das Essen kann man von der Bezeichnung her allzu häufig gar nicht aussprechen und es gibt Tage, da fragt man sich, welche Reste sie jetzt schon wieder zusammengekratzt haben. Aber es gibt doch einen Aspekt, der durchaus die Stimmung heben kann.

Man ist unter Studenten. Ich habe mich so oft es geht mit Freunden verabredet, um sich inmitten des ganzen Chaos einfach mal über den ein oder anderen Dozenten beschweren zu können. Oder über ganz andere Sachen zu quatschen. Hauptsache man kriegt den Kopf ein wenig frei.

Auch wenn ich persönlich kein Problem habe, auch alleine in die Mensa zu gehen (schließlich sind dort so viele verschiedene interessante Leute, dass man sich gar nicht allein fühlen kann), so ist es doch ein schönes Gefühl, zusammen den Unialltag meistern zu können. Es ergaben sich einige interessante Bekanntschaften, als ich mich zu den Gruppen anderer Kommilitonen dazugesellte.

Helle Tage und Erkenntnisse

Mit dem Sommer standen auch ganz viele Aktivitäten an der frischen Luft vor der Tür. Wenn ich jetzt um acht Uhr morgens mit dem Fahrrad zur Uni fuhr, fror ich mir nicht mehr alle Gliedmaßen ab und kam wach und konzentriert in den Übungen an. So viel draußen unterwegs zu sein, tat nicht nur körperlich gut. Es half auch mental, sich nach einem rechenreichen Tag auszupowern.

Ich lernte Potsdam von einer ganz anderen Seite kennen. Der nördlich gelegene Volkspark bietet neben vielen Freizeitmöglichkeiten auch mit zahlreichen bunten Blumen gesäumte Wege, die ein wenig Grün in das triste Grau brachten, das ich sonst von Golms Neubauten gewöhnt war. 

Ich im Neuen Garten
Im Neuen Garten unterwegs

Noch schöner der Neue Garten, wo 1945 im Schloss Cecilienhof die historisch bedeutsame Potsdamer Konferenz stattfand. Hier gibt es auch eine große Badestelle am Heiligen See mit Blick auf das hübsche Marmorpalais am anderen Ufer des Gewässers. So fiel es mir zunehmend leichter, mich immer öfter freizureißen von Uniaufgaben und stattdessen ins schöne Grün zu fliehen.

Tipp: Hier geht es zu den schönsten Sehenswürdigkeiten Potsdams.

Zugegeben, das ist ein zweiseitiges Schwert. Manchmal muss man einfach die Aufgaben rechnen. Egal, ob man schon 3 oder 6 Stunden daran sitzt. Oder? Ich habe oft mit mir gerungen: Soll ich das heute noch durchziehen, um dafür morgen weniger zu tun haben? Ist es wirklich nötig, die Vorlesung vorbereiten oder bringt mir das am Ende gar keinen so großen Mehrwert?

Plötzlich stellte ich mir Fragen, die mir vorher nicht in den Kopf gekommen waren. Immer weniger orientierte ich mich daran, jeden Tag 6 Stunden zu arbeiten. Vielleicht erinnert ihr euch noch an mein erstes Semester. Damals hatte ich ausgerechnet, dass ich für 30 Leistungspunkte (pro Leistungspunkt 30 Stunden Arbeitszeit) jeden Tag etwa 6 Stunden der Uni widmen müsste. Zumindest theoretisch.

Heute weiß ich, dass solches Denken einen mehr fertig machen kann als alles andere. Der Aufwand ist einfach ungerecht verteilt. Es gibt Module mit 9 Leistungspunkten, die quasi nebenbei bewältigt werden können und dann gibt es solche mit genauso vielen Leistungspunkten, wo die Übungsblätter allein jede Woche 8 Stunden Zeit einnehmen. Plus Vorlesungen, Nachbereitungen und Prüfungsvorbereitung.

Mittlerweile ignoriere ich diese Zahlen und sehe sie höchstens als grobe Orientierung. Erst, wenn man das Modul selbst belegt hat, kann man einschätzen, wie viel Zeit man darin investieren muss. Oder möchte. Schließlich besteht kein Zwang, jede einzelne Übungsaufgabe selbst zu lösen.

In diesem Semester merkte ich, wie sehr es sich auszahlt mit Kommilitonen zusammenzuarbeiten. Wenn ich Lust und Zeit hatte, löste ich mehr Aufgaben. Und wenn mir nicht danach war, konnte ich mich auf die anderen verlassen. Das machte alles unglaublich entspannter.

Von rotierenden Stangen und Drehimpulsadditionen

Tatsächlich verging das Sommersemester wieder viel zu schnell und ehe ich mich versah, standen die Prüfungen vor der Tür: Zwei für meine ThePhy-Module Ende Juli und eine nervig weit nach hinten gelegte Astro-Prüfung im September.

Ich hatte definitiv Respekt vor ThePhy, denn physikalisches Rechnen (wie wir es in der Uni taten) war noch nie meine Stärke gewesen. Das erste Mal in meiner Unilaufbahn musste ich Formeln wirklich auswendig lernen und auf Lösungsansätze kommen, für die meine Vorstellungskraft nicht immer ausreichte.

Obwohl ich die Herleitungen viel Male wiederholte, war meine komplette Mechanik-Klausur reine Improvisation. Das Rechnen war nicht so schwer, aber wie bitte sollte ich aus dem Kopf auf die Bewegungsgleichung eines kleinen Balls am Ende einer rotierenden Stange kommen? Irgendwas mit Sinus und Cosinus. Aber das konnte ich schließlich schlecht so hinschreiben.

Auch die Klausur zur theoretischen Quantenmechanik war ein wahrer Kampf. Zwar konnten wir unsere Aufzeichnungen nutzen (wobei mir meine umfangreiche Übersicht sehr geholfen hat), doch allein die Aufgabenfülle mit sechs Seiten Text war schon einschüchternd. Die Professorin hatte gemeint, dieses Jahr sei die Klausur viel einfacher und naja: Manche Fragen waren okay, aber bei anderen konnte ich nur mit dem Kopf schütteln.

Es gibt so viele Arten, Drehimpulse zu addieren, warum genau mussten wir sie da alle einzeln aufzählen? Wie die meisten anderen Studierenden, saß ich vier Stunden in der Klausur, um sie danach mit einem mittelguten Gefühl zu verlassen.

Den Sommer am See verbringen
Den Sommer genießen

Genau eine Woche nach der Mechanik-Klausur kam eine E-Mail mit den Prüfungsergebnissen und dass unser Professor wohl nicht so glücklich war. Gespannt öffnete ich meine Leistungsübersicht. Uff. Es ist schon ein dumpfer Schlag, wenn man gerade so bestanden hat. Aber hey, bestanden ist bestanden. Bestanden ist gut. Und gut ist sehr gut.

Ja, ehrlicherweise war ich damit nicht so zufrieden. Aber ich war auch irgendwie froh, das Modul hinter mir zu haben. Jetzt, da ich mir langsam immer sicherer wurde, auch den Master machen zu wollen, spielten meine Bachelor-Noten sowieso keine Rolle mehr. Mit wem wollte ich mich hier messen?

Das Ergebnis der langen Quantenmechanik-Klausur überraschte mich hingegen positiv. Jetzt konnte ich meinen freien August genießen. Es ist so schön, bewusst keinen Gedanken an die Uni zu verschwenden, sondern mal vor sich hinzuleben. Doch ganz faul war ich nicht, denn es war schnell ein Garten-Projekt gefunden, dass mich sowohl zeitlich als auch körperlich gut ausfüllte.

Die ein oder andere Überraschung

Der September kam wieder mit etwas mehr Arbeit. Zurück in Potsdam wollte auch die letzte Prüfung gemeistert werden. Dieses Mal hatte ich mir einen festen Zeitrahmen von knapp zwei Wochen gesetzt, in dem ich lernen wollte. Das machte erstens die Tage zuvor entspannter, weil ich sie ohne Lerngedanken im Hinterkopf noch genießen konnte. Und zweitens erhöhte es in der Lernzeit ein wenig den Druck und somit auch meine Lerneffektivität.

Der Plan ging gut auf. Ich konnte mir sogar einen Tag vorher freinehmen, da ich alle Vorbereitung gut geschafft hatte. Die Prüfung selbst verlief problemlos und ich kam mühelos durch alle Aufgaben. Wobei natürlich meine Begeisterung für stellare Entstehungszyklen auch wesentlich größer ist als für rotierende Stangen.

Ich hatte schon den Gedanken gehabt, ob mir an diesem Freitag dem 13. (September) wohl irgendetwas Komisches passieren würde. Zum Beispiel, dass meine Prüfung aus dem Ruder laufen könnte. Zwar bin ich nicht abergläubisch, doch wir Menschen neigen durchaus manchmal dazu, interessante Vorkommnisse an Freitag dem 13. diesem Pechmythos zuzuordnen.

Zum Beispiel war damals 2020 an solch einem Freitag verkündet worden, dass wegen Corona die Schule für die nächsten Wochen ausfallen würde.  Wobei das in dem Moment irgendwie auch eine frohe Botschaft war. Wie dem auch sei, war ich jedenfalls froh, dass die Prüfung scheinbar unter einem guten Stern stand.

Allerdings musste ich mich danach beeilen, noch die Bahn zu erreichen. Ich hetzte also in die Wohnung, um ein paar Sachen abzuholen und schaffte es doch tatsächlich, den Wohnungsschlüssel im Kellerabteil mit einem kleinen Vorhängeschloss einzuschließen.

Ich hatte mich also nicht nur aus der Wohnung selbst ausgesperrt, sondern kam auch nicht mal mit dem Fahrrad los, weil natürlich der Fahrradschlüssel ebenfalls im Keller lag. Zum Glück konnte ich nichts Wichtiges verpassen. Nach anderthalb Stunden Kreuzworträtsel im Flur rettete mich eine Mitbewohnerin und ich konnte nicht umhin, über diese lächerliche Situation zu schmunzeln.

Die nächsten Wochen versprachen aufregend zu werden. Zu zweit hatten wir uns vorgenommen mit dem Fahrrad 700 km durch Italien zu fahren. Mit unseren Gravelbikes und etwa 20 kg Gepäck pro Person begannen wir die mit Fahrrädern und Zug doch etwas beschwerliche Hinreise.

Es folgten drei Wochen mit vielen Anstrengungen und Hürden, aber auch Tagen voller Licht und schöner Erlebnisse. Ich könnte glatt einen ganzen Roman über unsere Reise schreiben, doch das erscheint mir hier nicht ganz angemessen, deswegen versuche ich mich kurz zu halten.

Wir sahen Verona, Florenz (die meiner Meinung nach schönste Innenstadt Europas), Pisa und Rom, fuhren über teils hübsche und teils nicht vorhandene Radwege, sahen Einiges von der armen Bevölkerung Italiens.

Wir strandeten völlig entkräftet in den Bergen, gerettet von unserem Unterkunftsbesitzer, der mit unseren Fahrrädern auf dem kleinen Autodach und uns hinten drin um bedrohlich enge Kurven bretterte. Und wir genossen die letzten warmen Sonnenstrahlen dieses langen Sommers an einem verlassenen Strand irgendwo an der Küste Italiens.

am Strand von Italien, abseits des Uniwahnsinns
An der Küste Italiens

Mittlerweile ist es schon Ende Oktober und der kalte Herbstwind hat mich ebenso wie neue Uniaufgaben eingeholt. Mein wahrscheinlich letztes Bachelorsemester ist angebrochen und ich bin sehr nervös, was mit meiner Bachelorarbeit auf mich zukommen wird. Nächstes Jahr stehen einige Veränderungen an, also bleibt es auf jeden Fall spannend.

Noch ein paar Tipps

Damit sind wir eigentlich schon am Ende der Geschichte. Doch wie ihr vielleicht merkt, habe ich innerhalb des letzten Jahres Einiges dazugelernt. Ein paar konkrete Tipps habe ich im Folgenden noch einmal für euch zusammengefasst:

1. Prüfungsvorbereitung:

Im ersten Semester wurde mir geraten, schon 8 Wochen vor der ersten Klausur mit der Vorbereitung zu beginnen. Das ist in einigen Fällen ein guter Rat. Rechenaufwändige Module bedürfen viel Übung, denn es gilt noch immer: Übung macht den Meister. Auch Prüfungen mit viel Lernstoff meistern sich nicht nach zwei Tagen Vorbereitung.

Bei anderen Modulen hingegen reicht es, ein paar Stunden lang alle Folien noch einmal durchzugehen. Man kann den Aufwand am Ende weder an den Leistungspunkten messen (die sind sowieso extrem ungleichmäßig verteilt) noch in genauer Stundenanzahl angeben.

Hör auf dein Gefühl. Manche Menschen brauchen den gewissen Zeitdruck, um effektiv lernen zu können. Andere nicht. Lege selbst fest, wie viel Zeit du etwa hineinstecken willst und ziehe das durch. Nicht mehr, nicht weniger. Du schaffst das.

2. Studienkollegen:

Mir selbst ist es nicht immer einfach gefallen, Kommilitonen anzusprechen. Doch es lohnt sich. Klar gibt es viele, die kein Interesse an sozialen Kontakten in der Uni haben. Viele andere aber schon. Im Prinzip bist du an der Uni nie allein.

Mit Mitstudierenden in die Mensa zu gehen oder zusammen auf dem Innenhof zu quatschen, kann so entspannend sein. Im Grunde vermissen wir doch alle den einen oder anderen Mitschüler aus unserer Schule. Hier können neue Freundschaften entstehen.

Zwischen den Säulen am Neuen Palais in Potsdam
Am Neuen Palais in Potsdam

Bei all den wissenschafts- oder anders interessierten Menschen kann man sich außerdem an jeder Ecke neue geistige Inspirationen holen. Ob einfach nur zum Spaß oder zum Verstehen komplexer neuer Sachverhalte. Lernen ist zusammen sehr viel einfacher.

3. Prioritäten:

Ich habe auf diesem Blog schon oft versucht, das perfekte Studentenleben zu beschreiben. Gelungen ist es mir noch nie. Aber das muss es auch nicht. Nur du selbst weißt, wie das für dich aussieht. Es ist okay, voll im Lernen aufzugehen und viel Zeit hineinzustecken.

Es ist auch okay, das Studium eher nebenbei zu belegen und viel Zeit mit sich selbst oder Freunden zu verbringen. Wichtig ist, seine Ziele nicht aus dem Blick zu verlieren. Und dabei ein gutes Bauchgefühl zu haben. Was tut dir gut?

Das Unileben ist nicht immer einfach. Die Menge an Faktoren zum Glücklichsein im Blick zu halten, kann echt überfordernd sein. Doch das geht fast allen Studenten so. Auch an der Uni läuft Vieles nicht rund. Mach dich dadurch nicht fertig. Setze Prioritäten. Und ändere sie, wenn sich die äußeren Umstände ändern. Oder wenn du selbst dich änderst.

Mein Bachelor-Studium an der Uni Potsdam

Hier geht es zu meinen anderen Artikeln während meines Physik-Studiums:

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